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Wie ich zum Reiseschreiber wurde und Griechenland zu meinem zentralen Thema

Wie alles begann

 

Noch als Student in Marburg an der Lahn war ich wohl ein ziemlich verklemmter Typ. Sohn eines Vaters, auf dessen Grabstein „Re.Ob.Insp.“ (Regierungsoberinspektor) stand und einer Mutter, die mir das Fußballspielen in einem Verein verbot, weil der Fußweg zum Bolzplatz an einem Zuchthaus vorbeiführte. Beide liebten mich. Mein Vater brachte mir bis zu seinem Tod, als ich zehn Jahre alt war, Stenografie und Schreibmaschineschreiben bei. Meine Mutter las dank eines listenreich ergatterten Zweitschlüssels heimlich mein Tagebuch mit, um mich vor lauernden Gefahren beschützen zu können. Als sie daraus erfuhr, dass ich erstmals ein anderes weibliches Wesen als sie geküsst hatte, warf sie es in den Ofen.

 

Eigentlich hatte ich Theaterwissenschaften studieren wollen. Da die in Köln bestreikt wurden, fing ich erst einmal mit Germanistik und Politologie an. Im zweiten Semester ging ich dann nach Marburg. Dort war der Lehrstuhl für Theaterwissenschaften aber gerade abgeschafft worden. Also machte ich mit den anderen Fächern weiter. Es war die linke Hoch-Zeit an der Marburger Uni. In allen Fächern wurde eifrig Marx gelesen. Das fand ich in Ordnung. Doch die Verehrung von Stalin, Lenin, Ho Chi Minh, Mao und sogar Walter Ulbricht fand ich einfach unerträglich. Ich wollte zwar eine bessere Welt, aber nicht à la DDR.

 

Ich besann mich darauf, dass ich zur Zeit meines Abiturs Journalist werden wollte. Da ich gern reiste, bisher aber nur in Finale Ligure, Dubrovnik und Teneriffa gewesen war

, kam ich auf die Idee, verschiedenen der gerade aufblühenden Reiseführerverlage einen Band über Island anzubieten. Alle waren interessiert, keiner wollte einen Vorschuss zahlen. Aber meine Freundin hatte eine reiche Tante. Die erklärte sich bereit, uns die Reise zu finanzieren, wenn wir vorher heiraten würden. Meine Freundin war 18, ich 23. Außerdem versprach die Tante, für uns noch eine schicke neue Wohnung in einem Haus mit Indoor-Pool und Tiefgarage zu mieten. Wir traten vor den Standesbeamten, kauften einen uralten VW-Bulli, ließen ihn per Kran auf die MS Gullfoss verladen und blieben zwei Monate lange auf der Insel im Nordmeer, auf der es damals nur 100 km asphaltierte Straßen gab.

 

 

 

Griechenland kommt ins Spiel

 

Nach Marburg zurückgekehrt, schrieb ich binnen zwei Monaten mein erstes Buch, das in einem Pforzheimer Verlag erschien. Der Verleger war begeistert und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, für ihn ein paar Griechenlandführer zu schreiben. Für die Region hätte er noch gar nichts. Wieder wollte er keinen Vorschuss zahlen, aber bot mir vier Verträge zur Unterschrift an: Kreta, Korfu, Athen und das gesamte griechische Festland sollten die Themen sein. Ich unterschrieb alle vier, obwohl ich Griechenland gar nicht kannte. In der Schule hatte ich ganze vier Stunden lang am Altgriechisch-Unterricht teilgenommen, dann aber das Handtuch geworfen. Ich hatte mit Hellas ja nichts am Hut. Nun aber sollte ich über dieses Land schreiben. Als kaufte ich mir am Bahnhof ein Ticket und fuhr am 22. Dezember 1972 mit dem Zug quer durch Jugoslawien nach Athen. Da kam ich am Heiligabend an und quartierte mich in der simplen Pension Zeus in der Plaka ein. Ich blieb nur zehn Tage. Danach aber wusste ich: Griechenland gefällt mir besser als Island. Ich war für die neuen Aufgaben hoch motiviert.

 

Doch wie sollte ich die Reisekosten für so viele Recherchereisen aufbringen? Ich stieß auf die Anzeige des Jugendreiseveranstalters „Fahr Mit/Deutsche Jugend- und Studentenreisen“. Sie suchten Reiseleiter. Ich bewarb mich und wurde nach einem kurzen Vorgespräch am Marburger Bahnhof zu einem Ausbildungsseminar in Schleswig-Holstein eingeladen. Das Seminar entpuppte sich als Dauerprüfung.

 

Auf der langen Bahnfahrt an den weltabgeschiedenen Seminarort trank ich mir im Speisewagen etwas Mut an. Das sollte sich als Karriereschlüssel erweisen. Im Seminarhaus wurden wir etwa 20 Teilnehmer gebeten, um 19 Uhr im Clubraum zu erscheinen. Alle waren pünktlich, doch kein Ausbilder zeigte sich. Als nach 20 Minuten immer noch keiner da war, ich aber einen gewaltigen Durst auf ein Bier verspürte, ergriff ich die Initiative. Ich stellte mich hinter den Tresen und eröffnete den Barbetrieb. Da ich die Preise nicht kannte, legte ich eine Strichliste an und lernte so viele Mitbewerber schon namentlich kennen.

 

Um 20 Uhr erschienen dann endlich unsere Ausbilder. Sie hatten das Geschehen in der vergangenen Stunde heimlich beobachtet. Unsere Warterei war bereits ein Psycho-Spielchen, von denen in den nächsten Tagen noch einige folgen sollten. Das erste am nächsten Morgen veränderte mein Leben. Alle saßen im Kreis. Der Reihe nach musste jeder aufstehen und den anderen Bewerbern im Kreis einzeln nur per Gestik anzeigen, was er von ihm hielt. Man kannte sich kaum, blieb unverbindlich und hielt Abstand. Mich aber kannten ja alle vom Vorabend her und schätzten mich, weil ich sie nicht hatte verdursten lassen. Alle umarmten mich der Reihe nach: Ich fühlte mich beliebt. Fortan war ich überhaupt nicht mehr schüchtern und verklemmt. Und galt bei den Ausbildern als guter Animateur.

 

Ich bekam einen Job als Reiseleiter. Nun musste ich nur noch mit meiner Frau über unsere Zukunft sprechen. Wir mochten uns zwar, aber hatten uns viel zu früh kennengelernt. Wir fühlte beide: das kann das Leben nicht gewesen sein. Also beschlossen wir, uns auf Probe zu trennen. Sie würde in Marburg bleiben und weiter Sonderpädagogik studieren. Ich würde für drei Monate nach Griechenland gehen, dann zurückkehren und mein Studium beenden.  Doch es kam alles ganz anders.

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Kommentare: 2
  • #1

    Barbara Leichtlein (Montag, 03 April 2023 15:48)

    Was für eine interessante Fügung des Schicksals. So spannend geschrieben und ich will unbedingt wissen wie das weitergeht.

  • #2

    Ina (Donnerstag, 06 April 2023 17:55)

    Ja und wo kann ich lesen wie es weiterging? Bin sehr gespannt �