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Unterwegs mit der Griechenlandhilfe

 

Die Reise beginnt an einem Freitag im März 2023 am Salzburger Hauptbahnhof. Dr. Hannes Rosner, eins der fünf ehrenamtlichen Vereinsvorstände, holt mich nachmittags mit einem schon mit Hilfsgütern vollgepackten Ford-Transporter der Griechenlandhilfe ab. Wir fahren zum für 300 Euro monatlich angemieteten Lager des Vereins, in dem sich die Sachspenden stapeln: Große Kartons mit Firmenspenden und kleine Spendenpäckchen von Privatpersonen. Erwin Schrümpf, der Vereinsgründer, belädt gerade einen zweiten Transporter. Beide Fahrzeuge wurden dem Verein gespendet. Jedes hat schon über 200 000 km im Dienste des Vereins auf dem Buckel.

 

Am nächsten Morgen um Acht startet unser Roadtrip nach Fusina bei Venedig, wo uns die c/f Asterion II erwartet. Für die Wagen des Vereins gewährt die Reederei einen Sondertarif. Nach 28-stündiger Fahrt geht es in Igoumenitsa wieder von Bord und über leere Autobahnen weiter nach Patras. Da übernachtet Erwin kostenlos bei einem schon lange in Patras ansässigen Österreicher, der in Patras Fruchtsirupe produziert, die verdünnt als Fruchtsäfte zum griechischen Frühstücksbuffet gehören. Er unterstützt den Verein auf dem Peloponnes, stellt Lagerraum zur Verfügung und transportiert Spenden. Als Gegenleistung nimmt die Griechenlandhilfe manchmal Sirup für deutsche und österreichische Besteller mit auf ihren Leerfahrten nach Norden.

 

Erstes Ziel: Lechena

Hannes und ich schlafen in einem kleinen Hotel fast direkt neben der prächtigen, nachts teuer erleuchteten St. Andreas-Kirche. Das absolute Gegenteil von „prächtig“ ist am nächsten Morgen unsere erste Station, ein staatliches Heim mit 32 körperlich und geistig zugleich schwerstbehinderten Erwachsenen im Provinzstädtchen Lechena. Die Kirche auf dessen Dach hat das Gebäude nicht vor dem Verrotten bewahrt. Wir laden drei Zentner Vollkorn- und Dinkelmehlnudeln aus, die ein Tiroler Fabrikant gespendet hat, dazu 224 Windelpakete. Anschließend dürfen wir ins Heim hinein, nachdem wir unsere Impfnachweise erbracht haben. „Besucher sind äußerst selten“, sagt die Pflegerin, „die meisten Familien haben ihre Angehörigen längst abgeschrieben.“ Noch schockierender als der Aufenthaltsraum, der mit Gummimatten ausgelegt ist und als einziges Möbelstück einen Wandfernseher enthält, ist der Pflegezustand hier. Betreuer sehen wir nicht.  Erwin streckt einer teilnahmslos leidenden 31-jährigen Frau seine Hände entgegen, die wie eine 12-jährige in ihrem Bett kauert.  Sie erkennt ihn nach einer Weile, streichelt seine Hände und lässt die Andeutung eines Lächelns erkennen. Erwin besucht sie seit zehn Jahren.

 

Unser nächster Stopp ist ein Café an der Nationalstraße ganz in der Nähe. Hier laden wir vier Helme und 25 Schutzanzüge für die Feuerwehr in einem nahen Dorf ab, gestiftet von den Kollegen aus dem Zillertal, und noch 10 kg Nudeln für eine bedürftige Frau in der Nachbarschaft. Die Wirtin des Cafés fungiert als Kontaktperson, hat auch schon dafür gesorgt, dass Dorfschulen in der Umgebung von der Griechenlandhilfe Buntstifte und andere Unterrichtsmaterialien erhielten. Zum Dank kredenzt sie uns süß eingelegte Mini-Auberginen zum Kafedaki und sauer eingelegte zum Schnaps. Nach ein paar Minuten Pause fahren wir nach Patras zurück. Hannes stoppt noch kurz an einem Straßenverkaufsstand und ordert 120 kg Zitronen, Saftorangen und Erdbeeren beim Bauern, den er schon länger kennt. Die nimmt er einige Tage später mit nach Salzburg, wo eine Dorfkonditorei auf die Ware wartet. Der Gewinn kommt der Griechenlandhilfe zugute.

 

Dritte Station an diesem Tag ist die Armenküche der Kirche Agia Sophia, in der täglich Mittag- und Abendessen für etwa 50 Bedürftige zubereitet werden. Wir haben noch genug Nudeln für sie und dazu einige Hygienebeutel mit Seife, Shampoo, Zahnbürste und teilweise auch Damenhygiene. Neben der Kirche wartet in einem Café Eleni auf uns, Krankenschwester in einem Altersheim. Die Griechenlandhilfe hat ihrer Tochter, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, ein Stipendium von monatlich etwa 300 Euro gewährt. Nun ist sie mit ihrer Ausbildung fertig, kann ihre Familie selbst ernähren.

 

In und um Athen

Am Dienstagmorgen geht es weiter nach Athen. Beim Anblick des Krankenhauses von Egio erzählt Erwin, man habe dieses Hospital und zwei weitere in der Umgebung zu Tsipras-Zeiten unterstützt, Defibrillatoren, Ultraschallgeräte und OP-Material geliefert. Nach dem Regierungswechsel wurde die Direktorin abgelöst und der Kontakt zu den Österreichern abgebrochen. Die hatten ja mit der falschen Partei zusammengearbeitet. In Aspropyrgos laden wir dann in einer Lagerhalle, dessen Inhaber Geschäftskontakte zu einem österreichischen Spediteur unterhält, ein schweres Ophtalmoskop für einen rhodischen Augenarzt ab, das ihm ein Münchner Kollege gespendet hat. Hier kann es stehen bleiben, bis der Doktor es persönlich abholt. Und schon sitzen wir wieder in den Transportern, steuern die Obdachlosen am Hafen von Piräus an. Sie lagern hier mit ihrem gesamten Hab und Gut auf den Bänken, auf denen im Sommer die Touristen auf ihre Fähren warten. Die windgeschützten Warteräume sind bis zum Beginn der Touristensaison verschlossen, die öffentlichen Toiletten nur bis 21 Uhr geöffnet. Alle bekommen Hygiene-Kits, einer 92-jährigen schenken wir einen warmen Schlafsack. Ein 82-jähriger, der auch eine Schachtel Zigaretten erhält, entpuppt sich im Gespräch als kleiner Philosoph. Er hat zehn Jahre lang in Deutschland auf dem Bau gearbeitet, danach der Kinder wegen in Athen. Seine Renten zieht aus irgendwelchen Gründen seine Bank ein, seine Familie kümmert sich nicht um ihn. Er nimmt es gelassen: „Der Mensch wird geboren und stirbt. Das ist die Natur. Und das betrifft alle. Ich akzeptiere, was ist.“ Erwin lädt ihn und ein paar seiner Leidensgenossen spontan in ein Hafencafé auf einen Kafedaki oder einen Soft Drink ein. Da staunt man nicht schlecht über die ungewohnten Gäste.

 

Nächstes Ziel ist die private Sozialstation eines ehemals Obdachlosen im Stadtviertel Kerameikos. Konstantinos hat sich selbst aus dem Elend gezogen, betreibt jetzt mit Hilfe finanzstarker griechischer Unterstützer eine Suppenküche und einen Aufenthaltsraum in einem ehemaligen Kafenio. Im Keller sind Duschen und Toiletten, im Halbgeschoss über Teilen des Lagers nächtigt Konstantinos jetzt selbst. Er hat jetzt einen Traum: Eines Tages will er mit einem Unimog bis ans Kap der guten Hoffnung fahren und unterwegs in vielen afrikanischen Städten und Dörfern für Hungernde kochen. 

 

Auch staatliche Sozialstationen werden in diesen Tagen von der Griechenlandhilfe mit allerlei Notwendigem beliefert. Die im Stadtteil Dafni, zu der auch eine Sozialapotheke und ein Sozial-Pantopoleio gehören, bekommt diesmal vor allem Nudeln, Medikamente, Damenbinden, Tampons und Windeln. Selbst das riesige Sozialzentrum am Athener Hauptbahnhof, zu dem auch ein Damenfrisörsalon, ein Waschsalon und eine Sozialkinderbuchhandlung gehören, bekommt etwa ab. Dafür bedankt sich auch die Stadträtin Melina, die das Zentrum leitet, und während unseres Besuchs gerade eine dänische Schülergruppe durch ihr recht gut ausgestattetes Reich führt.

 

Heimwärts und weiter

Es ist inzwischen Donnerstag geworden. Hannes fährt morgens wieder heimwärts, Erwin abends nach Lesbos. Vorher besuchen wir noch das Obdachlosenheim eines italienischen, eng mit der katholischen Kirche verbundenen Hilfswerks und laden da vor allem Lebensmittel und Hygieneartikel ab. Während der Fahrt durch die Straßen von Piräus und Athen kann Erwin mir viel zeigen. Ein Haus, in dem die Griechenlandhilfe für ein Jahr einer jungen, auf der Straße lebenden Frau ein Zimmer anmietete, weil es auch in Hellas unmöglich ist, eine sozialversicherte Arbeit ohne festen Wohnsitz zu finden. Einen Waschsalon einer griechischen Initiative auf einem LKW, der zu den Wohnungslosen in verschiedenen Stadtteilen fährt. Ein Ärztezentrum, in dem Doktoren stundenweise für Unversicherte zur Verfügung stehen. Eine Blindenschule, der die Griechenlandhilfe ein Spezialpapier für Braille-Schrift besorgte. Als sich unsere Wege trennen, ist mir klar: Wer sich bei Griechenland und seinen Bewohnern für viele schöne Urlaubstage oder gar ein halbes Leben in Hellas bedanken will, macht mit einer Sach- oder Geldspende an die Griechenlandhilfe (www.griechenlandhilfe.at) nichts falsch.

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Kommentare: 1
  • #1

    Petra (Freitag, 07 April 2023 12:22)

    Ein toller Bericht über die sehr gute Arbeit der Griechenlandhilfe.